Samstag, 7. Februar 2015

Tief durchatmen, Männer! Wir sind doch hier nicht beim Billig-Porno, oder?


Er ist irgendwo am anderen Ende des Raumes. Ich kann ihn nicht sehen, große Apparaturen aus Metall und Leder versperren mir die Sicht, das Licht ist schummrig. Ich höre genau hin. Langsam wird sein Atem schneller und er fängt an, erst leise, dann immer lauter zu stöhnen. Wer ist er? Was ist es, was ihn so in Wallung bringt? Die Luft ist schwülwarm und ein leichter Schweißgeruch erfüllt den Raum. Und während ich versuche, mir langsam und unbemerkt den Weg durch den Raum in seine Richtung zu bahnen, wird das Stöhnen immer lauter.
  
„Wuuuuaaaahhhhhhhhhhhh… Uuuarrrrghh… Pfffttttzzzzzhhhhh…!“
   
Na dann prost Mahlzeit! Schon wieder einer dieser halb trainierten, halb speckigen, aber dafür umso selbstbewussteren Wannabe-Pumper, der jeden seiner unsauber ausgeführten Bizepscurls mit Geräuschen untermalt, die mir noch das Mittagessen von vorgestern wieder hochkommen lassen. Kurz überlege ich, inwieweit ich evolutionsbiologisch wirklich dazu verpflichtet bin, mich zur Erhaltung unserer Art mit dem männlichen Geschlecht einzulassen und was ich tun kann, um mich dieser Verantwortung für den Rest meines Lebens zu entziehen. Zum Glück begegnen mir außerhalb der Freihantelbereiche von 15-Euro-monatlich-Fitnessstudios hier und da auch angenehmere Exemplare dieser Spezies, so dass ich mit meiner sexuellen Orientierung auch wieder ins Reine komme, sobald ich die traumatischen Ereignisse verarbeitet habe. Bis zwei Tage später die nächste Trainingseinheit ansteht und die Geschichte wieder von vorne los geht...

Kampf- oder auch Hochleistungskraftsportler sind der lebendige Beweis dafür, dass abruptes und geräuschvolles Ausstoßen von Luft aus den Lungen durchaus unterstützende Wirkung in Sachen Maximal- und Explosivkraft haben kann. Aber auch das ist eine Frage der Technik und des gezielten Einsatzes. Die gequälten Stöhnlaute, mit denen manche Möchtegernsportler jede einzelne ihrer je 3 x 12 Übungswiederholungen untermalen, hat damit nichts zu tun und birgt genau genommen sogar gesundheitliche Risiken. Der durch Pressatmung provozierte extreme Anstieg des Bluthochdrucks kann unter gewissen Umständen zum Beispiel zu Gefäßschädigungen führen.

Deshalb frage ich mich und euch ganz ernsthaft: Warum nur? Und warum sind es fast ausschließlich Männer, die durch die Muckibuden schreien, wie wenn es um Leben und Tod ging oder wie wenn Letzterer gar bereits kurz bevorstünde und sie der Nachwelt nur noch ihr akustisches Erbe hinterlassen wollen, bevor sie einem qualvollen Untergang entgegenleiden. „Frauen trainieren einfach nicht so hart“ höre ich da schon den ein oder anderen grummeln. Neulich habe ich mir den Spaß erlaubt und abgewartet, bis einer dieser 150-Dezibel-Stöhner an der Multipresse fertig war, habe demonstrativ auf beiden Seiten der Stange je noch eine 5-kg-Scheibe dazugepackt und zwei Wiederholungen mehr gemacht als er. Selbstverständlich habe ich darauf geachtet, dass mir seine sowie die Aufmerksamkeit seiner Trainingsbuddies sicher ist (ein weit ausgeschnittenes Sporttop wirkt bei diesem Klientel wahre Wunder!) und selbst wenn es mich fast eine Knie- und zwei Bandscheiben gekostet hat, das war es mir wert. Und hey – Surprise! Suprise! – ich musste dabei nicht schreien, wie wenn ich gerade ein Kind gebären würde. 

Warum das Ganze also? Kann mir das irgendwer mal erklären? Ich meine, dass es einem hier und da bei der ganzen Anstrengung mal einen Laut rausreißt ist doch klar. Sport soll schließlich auch irgendwie emotional sein, sonst können wir ja gleich alle zweimal die Woche für 15 Minuten ins EMS-Studio gehen und gut ist's. Aber das gesamte Trainingsprogramm lauthals durchblöken bis sämtliche anwesenden weiblichen Gäste PMS-ähnliche Zustände bekommen? Wenn ihr es echt nicht mehr schafft zu atmen, dann packt lieber ein paar Kilo weniger drauf und führt die Bewegungen so aus, dass die normalen Körperfunktionen noch aufrecht erhalten werden können – euer Kreislauf und euer Herz werden es euch danken! Wenn es um die Maximalkraft geht, schreit euch von mir aus die Seele aus dem Leib. Das ist dann ja nur ein oder zwei Mal pro Kerl und Tag. Dann können wir so tun, als hätten wir es nicht gehört, Fremdschäm- und Ekelfaktor bleiben im bewältigbaren Bereich und wir können Euch beim nächsten Treffen vielleicht auch noch in die Augen sehen.

In diesem Sinne: Tief durchatmen, Männer – außer ihr wollt ins billige Pornogeschäft. Aber selbst da wäre ich vorsichtig. Denn ich kann mir vorstellen, dass die Frauen, die auf Schmutzfilmchen stehen, in denen Männer solch ekelhaft penetrante und nicht enden wollende Grunzgeräusche von sich geben, nicht in eure bevorzugte Zielgruppe fallen. Buäh! Ich atme ein, ich atme aus…