Er ist irgendwo am anderen Ende des Raumes. Ich kann ihn nicht sehen, große Apparaturen aus Metall und Leder versperren mir die Sicht, das Licht ist schummrig. Ich höre genau hin. Langsam wird sein Atem schneller und er fängt an, erst leise, dann immer lauter zu stöhnen. Wer ist er? Was ist es, was ihn so in Wallung bringt? Die Luft ist schwülwarm und ein leichter Schweißgeruch erfüllt den Raum. Und während ich versuche, mir langsam und unbemerkt den Weg durch den Raum in seine Richtung zu bahnen, wird das Stöhnen immer lauter.
„Wuuuuaaaahhhhhhhhhhhh… Uuuarrrrghh… Pfffttttzzzzzhhhhh…!“
Na dann prost Mahlzeit! Schon wieder einer dieser halb
trainierten, halb speckigen, aber dafür umso selbstbewussteren Wannabe-Pumper,
der jeden seiner unsauber ausgeführten Bizepscurls mit Geräuschen untermalt,
die mir noch das Mittagessen von vorgestern wieder hochkommen lassen. Kurz
überlege ich, inwieweit ich evolutionsbiologisch wirklich dazu verpflichtet
bin, mich zur Erhaltung unserer Art mit dem männlichen Geschlecht einzulassen
und was ich tun kann, um mich dieser Verantwortung für den Rest meines
Lebens zu entziehen. Zum Glück begegnen mir außerhalb der Freihantelbereiche
von 15-Euro-monatlich-Fitnessstudios hier und da auch angenehmere Exemplare
dieser Spezies, so dass ich mit meiner sexuellen Orientierung auch wieder ins
Reine komme, sobald ich die traumatischen Ereignisse verarbeitet habe. Bis zwei
Tage später die nächste Trainingseinheit ansteht und die Geschichte wieder von
vorne los geht...
Kampf- oder auch Hochleistungskraftsportler sind der
lebendige Beweis dafür, dass abruptes und geräuschvolles Ausstoßen von Luft
aus den Lungen durchaus unterstützende Wirkung in Sachen Maximal- und Explosivkraft haben
kann. Aber auch das ist eine Frage der Technik und des gezielten Einsatzes. Die
gequälten Stöhnlaute, mit denen manche Möchtegernsportler jede einzelne ihrer
je 3 x 12 Übungswiederholungen untermalen, hat damit nichts zu tun und birgt
genau genommen sogar gesundheitliche Risiken. Der durch Pressatmung provozierte
extreme Anstieg des Bluthochdrucks kann unter gewissen Umständen zum Beispiel zu
Gefäßschädigungen führen.
Deshalb frage ich mich und euch ganz ernsthaft: Warum nur?
Und warum sind es fast ausschließlich Männer, die durch die Muckibuden
schreien, wie wenn es um Leben und Tod ging oder wie wenn Letzterer gar bereits
kurz bevorstünde und sie der Nachwelt nur noch ihr akustisches Erbe
hinterlassen wollen, bevor sie einem qualvollen Untergang entgegenleiden.
„Frauen trainieren einfach nicht so hart“ höre ich da schon den ein oder
anderen grummeln. Neulich habe ich mir den Spaß erlaubt und abgewartet, bis einer
dieser 150-Dezibel-Stöhner an der Multipresse fertig war, habe demonstrativ auf
beiden Seiten der Stange je noch eine 5-kg-Scheibe dazugepackt und zwei
Wiederholungen mehr gemacht als er. Selbstverständlich habe ich darauf
geachtet, dass mir seine sowie die Aufmerksamkeit seiner Trainingsbuddies
sicher ist (ein weit ausgeschnittenes Sporttop wirkt bei diesem Klientel wahre
Wunder!) und selbst wenn es mich fast eine Knie- und zwei Bandscheiben gekostet
hat, das war es mir wert. Und hey – Surprise! Suprise! – ich musste dabei nicht
schreien, wie wenn ich gerade ein Kind gebären würde.
Warum das Ganze also? Kann mir das irgendwer mal erklären?
Ich meine, dass es einem hier und da bei der ganzen Anstrengung mal einen Laut
rausreißt ist doch klar. Sport soll schließlich auch irgendwie emotional sein,
sonst können wir ja gleich alle zweimal die Woche für 15 Minuten ins EMS-Studio
gehen und gut ist's. Aber das gesamte Trainingsprogramm lauthals durchblöken
bis sämtliche anwesenden weiblichen Gäste PMS-ähnliche Zustände bekommen? Wenn
ihr es echt nicht mehr schafft zu atmen, dann packt lieber ein paar Kilo
weniger drauf und führt die Bewegungen so aus, dass die normalen
Körperfunktionen noch aufrecht erhalten werden können – euer Kreislauf und euer
Herz werden es euch danken! Wenn es um die Maximalkraft geht, schreit euch von
mir aus die Seele aus dem Leib. Das ist dann ja nur ein oder zwei Mal pro Kerl
und Tag. Dann können wir so tun, als hätten wir es nicht gehört, Fremdschäm-
und Ekelfaktor bleiben im bewältigbaren Bereich und wir können Euch beim
nächsten Treffen vielleicht auch noch in die Augen sehen.
In diesem Sinne: Tief durchatmen, Männer – außer ihr wollt
ins billige Pornogeschäft. Aber selbst da wäre ich vorsichtig. Denn ich kann
mir vorstellen, dass die Frauen, die auf Schmutzfilmchen stehen, in denen
Männer solch ekelhaft penetrante und nicht enden wollende Grunzgeräusche von
sich geben, nicht in eure bevorzugte Zielgruppe fallen. Buäh! Ich atme ein, ich
atme aus…
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